Yandé Secks Buch hat mir noch einmal mehr klargemacht, wie sehr ich Frankfurt liebe und Offenbach. Dabei schreibt Seck natürlich keinen Stadtführer. In Weisse Wolken erzählt Seck von den beiden Schwestern Dieo und Zazie. Dieo macht eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin und lebt mit Simon und ihren drei Kindern im Nordend von Frankfurt. Dieo kämpft täglich mit den Ansprüchen, die an sie gestellt werden, die vielfach auch ihre eigenen Ansprüche sind. Ihre Schwester Zazie studiert noch in Frankfurt und lässt Dieo aber auch alle anderen Menschen in ihrem Leben die Wut spüren, die sie in sich trägt und bei der es um Themen wie Rassismus, Feminismus und Teilhabe geht. Zazie will am liebsten allen auf einmal klarmachen, dass Veränderungen viel schneller gehen müssen. Das belastet die Beziehung zu ihrer Schwester, manchmal steht die Wut Zazie’s aber auch ihrem eigenen Fortkommen im Weg. Als Papis, der Vater von Dieo und Zazie plötzlich stirbt, stehen alle Leben für einen Augenblick still. Papis stammt ursprügnlich aus dem Senegal und schnell wird klar, dass seine Beerdigung dort erfolgen soll. Dieo und Zazie fliegen in das Leben ihres Vaters, es wird ihnen zum ersten Mal bewusst, wie sehr sie ein Teil einer Gemeinschaft sind, sie spüren die tiefen Wurzeln ihrer Familie. Papis Beerdigung wird zu einem Wendepunkt und auch zu einem Neuanfang für Dieo, Zazie, Simon und Max.

Yandé Seck ist ein tolles Buch gelungen. Was sich vielleicht beim Lesen nach Problembuch anhört, ist in Wahrheit eine kraftvoll erzählte Geschichte, die positiv ist und an vielen Stellen lustig. Es wird der tägliche struggle fühlbar, dem sich Zazie und Dieo aussetzen und der auch an sie herangetragen wird. Ich habe mich unmittelbar in die Figuren verliebt. Die Wut Zazie’s, die Kraft und Brillianz, die daraus entsteht, Dieo, die oft innerlich zweifelt und gleichzeitig ihre Ziele mit aller Stringenz verfolgt, der enge Zusammenhalt der Familie, beim Lesen musste ich oft laut lachen, ich musste tatsächlich genauso oft weinen und nehme am Ende mit, dass wir nicht auf dem Weg sind in die oft zitierte plurale Gesellschaft. Stattdessen sind wir schon lange mittendrin. Es ist mir sehr bewusst, dass Dieo, Zazie und Yandé und ich, dass wir sehr unterschiedliche Versionen von Frankfurt und Offenbach sehen und fühlen. Auch wenn ich mir Mühe gebe, so bleibe ich doch der weiße Dude, die Menschen behandeln mich anders als diese jungen Frauen Of Color. Und trotzdem hatte ich beim Lesen tatsächlich viele, viele Bilder im Kopf. Stadtteile, Cafés, Parks, Quartiere werden einerseits beschrieben und andererseits führt Yandé Seck stets mit Ironie durch ganz unterschiedliche Teile von Frankfurt und Offenbach. Ich liebe dieses Buch sehr, es ist bisher mein Lieblingsbuch 2024.