Worte. Bilder. Mehr beta wagen

Kategorie: Lesen Seite 9 von 11

Fatma Aydemir. Dschinns. Gelesen von Sesede Terziyan

Fatma Aydemir. Dschinns. Gelesen von Sesede Terziyan

Ich muss mich entschuldigen. Gerade habe ich gemerkt, dass ich über Dschinns an etlichen stellen gesprochen habe, dass ich auch in Social Media aktiv war, dass ich aber hier bisher kein einziges Wort verlor darüber. Was erlauben Markus?! Aber, von Anfang an..

Dschinnin

Dschinnen, ist in der islamischen Vorstellung ein Wesen, das aus „rauchlosem Feuer“ erschaffen ist, über Verstand verfügt und neben den Menschen, Satanen und den Engeln mit anderen Dschinn die Welt bevölkert. Nur in Ausnahmesituationen werden Dschinn den Menschen sichtbar. Weit verbreitet ist die Vorstellung, die Dschinn könnten in die Körper von Menschen fahren und sie verrückt machen.

Quelle: Der Artikel über Dschinnin aus der deutschen Wikipedia Seite, zitiert aus dem Stand vom 16.08.2022

Dschinns. Dschinns, das sind Geister. In Fatma Aydemirs Roman wird die Geschichte einer Familie erzählt, die zu einem traurigen Anlass zusammenkommt. Der Mann und Vater ist verstorben. Und alle bringen auf der Heimreise von Deutschland in die Türkei und dann Vorort all ihre Dschinns, ihre Geister mit. Vier Kinder hat der Vater Hüseyin und auch seine Frau tritt die schmerzvolle Reise an, alle erfahren Schmerz neu. Nicht raus können aus seiner Gedanken- und Wertewelt und damit die Kinder und auch die Frau zutiefst verletzen, Grenzen erfahren im Zusammenleben mit der deutschstämmigen Gesellschaft, die unfähig ist zu integrieren und viel zu oft sogar hilft Leid zu produzieren. Es sind aber auch Geschichten von Sehnsucht, von Träumen und von Entbehrungen und von hart erkämpften Erfolgen, die sich oft zuerst gar nicht so anfühlen und von Schmerz.

Fatma Aydemirs Sprache und Erzählweise hat mich schlicht umgehauen. So dicht, so wortmächtig, so intensiv erzählt sie diese Geschichte, dass ich kaum aufhören konnte mit Lesen. Lesen, denkt ihr jetzt? Ja, es stimmt, ich habe das Buch angehört. Sesede Terziyan gibt ihre wundervolle Stimme, gibt auch all ihr schauspielerisches Einfühlungsvermögen und erzeugt, wie ich es empfinde, noch mehr fühlbare Emotion. Dschinns wurde übrigens auch für das Theater adaptiert und am 07. Juli 2022 in Mannheim uraufgeführt.

nachkommen - Wenn Töchter ihren Müttern schreiben

Auf dem Weg..

Ich war unzufrieden. Ich war sehr lange unzufrieden. Ich hatte das Gefühl, dass unser Zusammenleben zusammenbrach und ich konnte mir nicht wirklich erklären wie das geschehen konnte. Ich spreche vom Zusammenleben in unserer Gesellschaft, in unseren Gesellschaften. Ich spreche von Kriegen und dem Umgang mit Menschen, die nicht weniger als ihr Leben retten wollen. Hierzulande wollen Menschen andere Menschen dominieren, sie hören nicht mehr zu, schauen nicht mehr hin. Nicht mehr? Momentan und schon seit einigen Jahren lese ich. Ich lese so viel wie nie. Lesen erschließt neue Quellen. Ich finde endlich Quellen, die Komplexität darstellen und fassen können und helfen, Zusammenhänge zu begreifen.

Wieso wir uns nicht mehr zuhören. An diesem mehr habe ich mittlerweile starke Zweifel. In Die Bedeutung von Klasse von bell hooks erfahre ich viel darüber, wie Zugehörigkeit und Teilhabe funktioniert. Oder wie man Zugehörigkeit und Teilhabe verweigert. Ich habe schon lange Zweifel an der Behauptung, wir würden in einer klassenlosen Gesellschaft leben und jeder könne auch hierzulande seinen Platz finden, könne beispielsweise studieren und etwa einen beruflichen Weg einschlagen, den sie und er sich wünscht. Die Hürden sind hoch. Es gibt Wege und Ideen des Zusammenlebens. Zunächst will ich aber so viele Welten kennenlernen wie möglich. Sie sind alle da und sie waren schon immer da, alle gleichzeitig. Hadija Haruna-Oelker führt uns das in Die Schönheit der Differenz – Miteinander anders denken anschaulich und bereichernd vor Augen. Und ich will auch nicht behaupten, man hätte diese Welten ferngehalten von mir. Richtig ist, dass sie nicht immer einfach zu finden sind oder besser: Ich lerne, anders zu schauen, ich forsche nach, suche aktiv diese anderen Wirklichkeiten. Ich fühle mich auf dem Weg. Zuletzt beim Lesen von Emine Sevgi Özdamar wundervollem Ein von Schatten Begrenzter Raum.

Und gerade lese ich erneut Navid Kermanis Entlang der Gräben. So viele Eindrücke von seiner Reise von Köln nach Isfahan. So viele Eindrücke aus Polen, Belarus, der Ukraine mitsamt der Krim, von Russland. Als das Buch erschien, schien es um Zuwanderung zu gehen und um den Flüchtlingsstrom, der uns damals stark beschäftigt hat. Heute gibt es immer noch Flüchtlingsströme, überall. Ich lese davon, dass Menschen zwischen Flüchtlingen unterscheiden. Schon wieder Ausgrenzung, schon wieder treten wir viel zu oft in die Falle des Auseinander-Dividierens. Wir sehen die relativ kleinen Unterschiede und sind viel zu oft in der Lage, die Gemeinsamkeiten nicht zu sehen. Ich lerne und könnte bei jeder Seite schreien vor Glück. Gleichzeitig schäme ich mich, dass ich mich viel zu lange Abspeisen hab lassen mit verkürzten Erklärversuchen. Verkürzt und untauglich und nicht selten entsprang hinter diesen Krücken die Agenda von Jemandem oder einer Gruppe.

Wir können es so viel besser. Ich bin jetzt auf den Weg..

Seite 9 von 11

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén